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20.8.2025

Einsturz Carolabrücke: Das Krisenteam teilt Learnings

Als am 11. September 2024 die Carolabrücke in Dresden einstürzte, stand die Stadtverwaltung vor einer ihrer größten Kommunikationsherausforderungen. Im Interview erzählt das Kommunikationsteam von 1.000 Kommentaren pro Beitrag, Livestreams mit dem iPhone und warum Community Management zur Vollzeitaufgabe wurde.

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Der 3-Uhr-Alarm: Wenn die Krise beginnt

Ehrenbehörde: Michael, wie war dein Tag, als die Brücke einstürzte?

Michael: Ich wurde zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen um 3:08 Uhr alarmiert. Als wir als Feuerwehr vor Ort eingetroffen sind und gesehen haben, was sich dort uns darbot, hatte ich schon die ersten Gedanken: Wie begleiten wir diesen Einsatz kommunikativ? Es war eine Abfolge von vielen Telefonaten und Abstimmungen, bis wir um 9 Uhr die erste Pressekonferenz halten konnten.

Ehrenbehörde: Von 3 bis 9 Uhr – das ist eine Menge Zeit. Wie läuft das praktisch ab?

Michael: An diesem Tag war ich tatsächlich selbst im Einsatzdienst als Führungsdienst. Ich bin sowohl Pressesprecher als auch Führungskraft bei der Berufsfeuerwehr Dresden. Es war reiner Zufall, dass ich bei diesem Einsatz sofort als Pressesprecher tätig werden konnte und schon zeitnah die ersten Informationen veröffentlichen konnte.

Ehrenbehörde: Nadine und Ilja, wie ging euer Tag los?

Nadine: Bei mir startete der Tag um 5 Uhr mit einem Anruf von einer anonymen Nummer, den ich weggedrückt habe. Wer soll mich um 5 Uhr morgens anrufen? Wir hatten sogar einen entspannten Wandertag geplant. Als ich um 7 Uhr aufstand, berichteten schon die ersten Medien. Dann sah ich: "Oh Gott, die Carolabrücke ist eingestürzt!" Direkt war ich im Notfallkrisenmodus.

Ilja: Ich hatte drei oder vier verpasste Anrufe von der Pressesprecherin auf dem Handy. Das Bild der abgeknickten Brücke sah aus wie ein KI-Bild – man hatte so etwas in dieser Dimension noch nie gesehen. Es sah aus, als wäre die Brücke müde und würde schlafen gehen.

Newsroom-Konzept unter Extrembedingungen

Ehrenbehörde: Wie organisiert ihr euch bei so einer neuen Lage?

Ilja: Das Praktischste war, dass wir gerade das Newsroom-Konzept bei uns ausprobiert hatten. Wir wussten, wir ziehen ins neue Verwaltungsgebäude um und wollten Pressearbeit und Online-Arbeit mehr verzahnen. Wir hatten unsere Büroräume so umgestellt, dass alle Informationskanäle an einem zentralen Pool versammelt waren. Es war fast schon glücklicher Zufall, dass wir schon gut aufgestellt waren.

Michael: Wir haben uns aufgeteilt und festgelegt, dass einer immer in den Lageberatungen dabei ist. Das ist meine Funktion gewesen. Ich habe die anderen gebrieft, die Stadtsprecherin wiederum ihre Leute. Das ist wie eine Informationskette durch definierte Personen, damit keine "Stille Post" gespielt wird.

1.000 Kommentare pro Beitrag: Der Community-Management-Marathon

Ehrenbehörde: Wie ging das Community Management los?

Michael: Das war einem Vulkanausbruch gleich – angefangen von Verschwörungstheorien bis zu echten Ängsten und Fragen der Menschen. Was für uns wichtig war: die Kommentare herauszufiltern, wo Menschen Ängste haben und Fragen stellen, die wir beantworten wollen.

Nadine: Es war krass, wie viele Kommentare reinkamen. Allein zum Thema Carolabrücke. Wir hatten teilweise um die 1.000 Kommentare pro Beitrag, vor allem auf Facebook. Das ist die deutlich größere, aber auch kritischere Community.

Ehrenbehörde: Wie seid ihr mit Verschwörungstheorien umgegangen?

Ilja: Wir haben Tools wie Meistertask genutzt und uns ein kleines FAQ zusammengeschrieben. Typische Kommentare waren: "Die Brücke wurde doch gerade saniert!" Dann mussten wir erklären: Brückenzug A und B waren saniert, aber C – dort wo die Straßenbahn fährt und wo die Brücke zusammengeklappt ist – war noch nicht saniert.

Nadine: Wir haben auf jeden Fall positives Feedback bekommen, dass wir schnell reagiert haben. Eine direkte Verbesserung der Verschwörungstheorien würde ich nicht sagen, aber andere aus der Community haben sich eingeschaltet und uns unterstützt. Das fand ich ziemlich gut.

Live-Streams mit dem iPhone: Neue Wege in der Behördenkommunikation

Ehrenbehörde: Was waren eure erfolgreichsten Kanäle?

Nadine: Dieser Livestream von der Pressekonferenz war ein Gamechanger. Die Leute wollten Informationen aus erster Hand und haben zugeschaltet. Wir haben die erste Pressekonferenz um 9 Uhr über den Instagram-Kanal der Feuerwehr live gestreamt.

Michael: Das war sehr händisch. Man braucht nur ein vernünftiges Endgerät wie ein iPhone, ein externes Mikro dran und los geht's. Da standen dann MDR und ARD mit ihren großen Kameras, und du stehst daneben mit deinem Gerät und sagst: "Ich sende auch gerade live."

Ehrenbehörde: Wie war das Feedback?

Ilja: Ich bin jetzt im dritten Jahr als Online-Redakteur bei der Stadt tätig und habe noch nie so viel positives Feedback bekommen. Die Leute sagten: "Danke, dass ihr so transparent aufbereitet, Hintergründe zeigt und euch nicht scheut, mit uns auseinanderzusetzen."

Schichtdienst und Durchatmen: Wann war die Krise überstanden?

Ehrenbehörde: Wo war für euch der Moment, wo ihr durchatmen konntet?

Ilja: Nachdem das Hochwasser durch war. Das ging ja Schlag auf Schlag – ein Teil des Brückenzugs musste weggerissen werden, das "Bagger-Ballett" mit zehn Baggern gleichzeitig. Aber als das Hochwasser im Bereich der Carolabrücke angekommen war und man merkte, es wird alles gut gehen, da bin ich runtergekommen.

Nadine: Wir hatten uns in Schichten aufgeteilt, aber selbst wenn man nicht Schicht hatte, bestand diese innere Unruhe. Ich bin trotzdem mit dem Fahrrad raus an die Elbe und habe geguckt, wie hoch die steht. Das hat einen nicht losgelassen. Man hatte die ganze Zeit dieses Adrenalin verspürt.

Unterschied zwischen Presse- und Social Media-Arbeit

Ehrenbehörde: Wie unterscheidet sich eure Arbeit von der klassischen Pressearbeit?

Nadine: Pressearbeiter sind klassisch von der Pressemitteilung abhängig. Da wird alle Energie auf diesen Text gelegt. Für uns ist das was ganz anderes. Wir wollen auf Social Media echte Menschen zeigen, die in der Behörde arbeiten. Bei einer Schuleinweihung möchte ich nicht den Oberbürgermeister sehen, der der Direktorin die Hand schüttelt, sondern Einblicke von der Schule.

Ilja: Unsere Arbeit fängt erst an, wo die des klassischen Pressearbeiters endet. Wenn die Pressemitteilung verschickt ist, ist das Thema für viele erledigt. Bei uns geht die Arbeit weiter: Wir veröffentlichen Inhalte und dann kommen 500 Kommentare, die moderiert werden müssen.

Lernerfahrungen und Vorbereitung

Ehrenbehörde: Was habt ihr aus der Krise gelernt?

Nadine: Wir haben im Nachgang Vorlagen erstellt, die sich vor allem auf Bombenfunde beziehen – die haben wir in Dresden häufig. Es gibt jetzt Webseiten, die man live schaltet, Vorlagen in Canva, kleine Anleitungen. Hoffentlich erleben wir so eine große Katastrophe wie die Carolabrücke nicht so schnell wieder.

Ilja: Wir haben auch ein zweitägiges Seminar der Bundeszentrale für politische Bildung zu "Digitaler Zivilcourage" besucht und unsere Community-Richtlinien überarbeitet. Wichtig ist: Wir pflegen Kommunikation auf Augenhöhe und haben klare Regeln gegen Rassismus, Antisemitismus und Halbwahrheiten.

Rat für die Zukunft

Ehrenbehörde: Wenn ihr euch selbst vor der Krise einen Tipp geben könntet?

Nadine: Erst noch mal durchatmen – man wird tagelang nicht mehr dazu kommen. Und auf das Team vertrauen. Man muss sich in Schichten aufteilen und gut abstimmen. Auch die Familie im Hintergrund nicht vernachlässigen, die einen stärken muss.

Ilja: Die Chefs können jetzt bei mir durchklingeln, auch wenn der Schlafmodus drin ist. Und im Community Management mit gewissem Abstand rangehen. Die Welt geht nicht unter, wenn man mal eine Frage falsch beantwortet. Wir sind alle nur Menschen und versuchen für andere da zu sein. Man sollte eher das Positive sehen – die Leute sind dankbar.

Hier das ganze Gespräch anhören.

Über die Auszeichnung "Ehrenbehörde der Woche"

Mit der Ehrung werden wöchentlich Verwaltungen gewürdigt, die den öffentlichen Dienst aktiv mitgestalten – ob in Kommunikation, Digitalisierung, Recruiting oder Führung. Ziel ist es, gute Beispiele sichtbar zu machen und andere Behörden zu ermutigen, eigene Wege zu gehen. Weitere Informationen zur Auszeichnung unter www.ehrenbehoer.de.

Pressekontakt:

Ehrenbehörde
Luisa Welink
info@ehrenbehoer.de